«Diese Nähe bietet eine enorme Chance»

Auch auf die Schule werden sicher gewisse Herausforderungen zukommen – welche sehen Sie da vor allem?
Stauffer: Für uns werden sicher die Wege eine gewisse Herausforderung darstellen, denn sie werden länger sein als heute. Allein schon dadurch, dass sich der Unterricht auf zwei Gebäude verteilen wird. Wenn man von dem Trakt, in dem sich vorwiegend die Klassenzimmer befinden, in den Naturwissenschaftstrakt gelangen muss oder umgekehrt und es vielleicht noch eng wird im Treppenhaus, weil einem eine andere Klasse entgegenkommt, werden wohl zumindest am Anfang die Lektionen nicht immer rechtzeitig starten können. Ausserdem sind die Sporthallen ein Stück von den Schulgebäuden entfernt, auch da werden wir pragmatische Lösungen finden und entsprechende Abmachungen unter den Lehrpersonen treffen müssen.
Vor Ort wird es eine Koordinatorin geben. Was ist ihre Aufgabe?
Knaus: Die Koordinatorin agiert zwischen Schule und Uni und entlastet so die Schulleitungen und die Fakultätsleitungen. Sie wird sich all der Fragen und Themen annehmen, die wohl vor allem in der Anfangsphase
aufkommen werden. Wir haben ausserdem schon während der Vorbereitungszeit runde Tische gebildet, die sich mit gewissen Themen, die herausfordernd werden könnten, beschäftigt haben. Diese runden Tische sollen weiterhin bestehen, damit man miteinander im Austausch bleibt. Zu Beginn wird dieser vermutlich recht intensiv sein. Mit der Zeit wird sich aber bestimmt ein Regelbetrieb etablieren und die Leute werden sich gegenseitig so gut kennen, dass sie gewisse Dinge direkt miteinander besprechen können. Und natürlich hoffen wir, dass auch die gemeinsamen Projekte, die wir lancieren wollen, das gegenseitige Kennenlernen und Verständnis fördern. Dies würde dazu beitragen, den Alltag gemeinsam gut zu meistern.
Vom besseren gegenseitigen Verständnis abgesehen – welches Ziel verfolgen Sie mit diesen Projekten?
Knaus: Es gibt mehrere Aspekte. Zum einen ist die Uni Abnehmerin der Kantonsschulabgängerinnen und -abgänger. Allein daher haben wir ein grosses Interesse am Gymnasium und an den jungen Leuten, die später zu uns wechseln. Zurzeit findet eine tiefgreifende Reform der Gymnasien statt. Sie wird auch uns als Abnehmer tangieren. Für unsere Dozentinnen und Dozenten ist es wichtig, zu wissen, was die jungen Leute künftig mitbringen werden und worauf sie aufbauen können. Zum anderen wissen wir aus Befragungen, dass sich Gymnasiastinnen und Gymnasiasten beim Übergang ins Studium nicht immer ausreichend informiert fühlen. Wir gehen davon aus, dass einige Projekte viel zur besseren Information beitragen werden. Denn wir möchten auch Formate ausprobieren, die über die bestehenden Studieninformationsangebote hinausgehen.
Welche Formate könnten das sein?
Knaus: Angedacht sind zum Beispiel Tage oder Wochen der offenen Hörsäle, damit jene Schülerinnen und Schüler, die Lust dazu haben, sich einfach einmal in eine Vorlesung setzen können. Wenn sie nur schon die Dimension eines Hörsaals erleben und mitbekommen, wie es dort zugeht, werden sie ein Gefühl bekommen für das, was sie später erwartet. Eine andere Idee ist, dass die Lehrpersonen in Projektwochen oder Freifächern Fachleute von der Uni beiziehen können aus Bereichen, in denen sie selbst aufgrund des Fächerkanons der Schule über wenig Expertise verfügen. Die Jugendlichen würden dadurch Studienbereiche kennenlernen, die nicht Teil des schulischen Spektrums sind.
Stauffer: Etwas, was für uns noch wichtig ist: An den Mittelschulen brauchen wir Lehrpersonen. In gewissen Fächern gibt es recht viele, in anderen, namentlich in den naturwissenschaftlichen Fächern, weniger. Unsere Hoffnung ist deshalb, dass wir Studierende zum Schnuppern motivieren können, indem wir ihnen die Möglichkeit bieten, ganz niederschwellig bei uns an einer Lektion oder einem Projekt teilzunehmen.
Auf der Website werden sechs Gefässe vorgestellt, in deren Rahmen gemeinsame Projekte realisiert werden können. Im August soll eine erste Projektausschreibung stattfinden. Was erwarten Sie davon?
Knaus: Die sechs Gefässe, zu denen zum Beispiel die Projektwochen oder die Freifächer gehören, geben einen Rahmen vor, in dem kooperiert werden kann. Ich sehe aber durchaus die Möglichkeit, dass zahlreiche weitere Formen der Zusammenarbeit entstehen können. So hat sich beispielsweise die Leiterin des Lehrpersonenchors der KZN bei mir gemeldet mit der Idee, den Chor während der Zeit im Provisorium auch für Leute der Uni zu öffnen. Es ist also bestimmt viel Potenzial vorhanden, wir müssen es nur ausschöpfen.
Stauffer: Was man nicht vergessen darf: Viele Lehrpersonen haben früher selbst auf dem Campus Irchel studiert – so wie auch ich dort Geografie studiert habe. Wir alle haben noch unsere Kontakte zu den Instituten, und auf Fachschaftsebene wird im Moment bereits einiges diskutiert, was man gemeinsam realisieren könnte. So haben etwa die Historiker mit dem kantonalen Staatsarchiv, das sich ebenfalls auf dem Irchel-Gelände befindet, Kontakt aufgenommen und auch schon eine Weiterbildung für die Zusammenarbeit mit dem Ergänzungsfach gemacht. Das sind Dinge, die nicht von uns organisiert werden können, sondern aus der Initiative von Lehrpersonen oder Dozentinnen und Dozenten heraus entstehen müssen.
Knaus: Ich sehe noch einen weiteren Punkt: Die Uni hat heute schon diverse Angebote für Schulen wie etwa das Science Lab UZH oder den Science Pavillon UZH. Solche Angebote müssen die Schulen vorab buchen und den Besuch inklusive Anreise organisieren. Das bedeutet für sie nicht wenig Aufwand. Für die Schulen im Provisorium werden solche Angebote nun in Gehdistanz liegen, was den Zugang sicher erleichtern wird und allenfalls auch neue Kontakte fördert. Darüber hinaus wird man auf dem Campus unweigerlich miteinander in Kontakt kommen. Dies wird vieles ermöglichen, woran wir jetzt noch gar nicht denken.
Stauffer: Das sehe ich genauso. Diese Nähe bietet eine enorme Chance – unabhängig von den Projekten, die wir jetzt zu lancieren versuchen. Wenn eine Lehrperson eine Doppelstunde hat, kann sie zum Beispiel für eine Stunde zusammen mit einer Fachperson der Uni etwas organisieren, was den Schülerinnen und Schülern einen Mehrwert bringt. Das ist sonst schlicht nicht möglich. Und noch etwas: Für die Uni ist die Situation eine andere als für uns. Wir und die nachfolgenden Schulen bleiben jeweils drei Jahre im Provisorium, für die Uni hingegen dauert diese Nachbarschaft insgesamt neun Jahre. Darum ist es wichtig, dass wir unsere Erfahrungen an die nachfolgenden Schulen weitergeben, sodass die Zusammenarbeit auch mit ihnen gut oder vielleicht noch besser funktionieren kann.
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