Früh hinschauen – früh handeln
Ein Gewinn für alle
In der Schule Sihlweid hat Pauline Kirby mit ihrer «Coaching Time» etwas ins Rollen gebracht, das sie als «grossen Gewinn für alle» bezeichnet. Nicht nur für sie und die Kinder, sondern ebenso für die Eltern. «Auch mit ihnen kann ich so viel enger zusammenarbeiten und es ziehen alle am selben Strang.» Das sei für sie eine enorme Entlastung. Gleichzeitig schätzt sie die persönlichen Gespräche mit den Kindern sehr. «Hier erzählen sie mir oft ganz andere Dinge als sonst. Eher verschlossene Kinder öffnen sich plötzlich, andere reden von Anfang an drauflos.»
Zu letzteren gehört auch Emilia. Ihr gefällt es in der Coaching-Stunde. «Ich erzähle gern anderen Leuten meine Gefühle», sagt sie, «weil mir das auch hilft.» Zwar rede sie zu Hause viel mit ihren Eltern: «Sie fragen mich immer, wie mein Tag war.» Dennoch findet sie es gut, in der Person ihrer Lehrerin eine weitere Vertrauensperson zu haben – ausserhalb der Familie. «Wenn ich mit ihr über meine Probleme spreche, können sie auch ein Ende nehmen.» Etwa die Sache mit den beiden Jungs, die sie immer «genervt» hätten. Auch ihr Wunsch, dass Buben und Mädchen zusammen spielten, habe sich so erfüllt.
Immer wieder komme es vor, dass in den Gesprächen mehrere Kinder das gleiche Problem ansprächen, sagt Pauline Kirby. Dann sei dies etwas, was die ganze Klasse angehe, und sie könne es dort entsprechend aufnehmen und lösen. Die Namen der zwei Buben beispielsweise, von denen Emilia sprach, seien auch von mehreren anderen Kindern genannt worden. Ihr selbst seien die beiden im Unterricht nicht negativ aufgefallen.
«Aufbauend unterwegs»
Auf die «Coaching Time» ist die Klassenlehrerin in einem Buch über die «Neue Autorität» gestossen, ein Konzept, das auf Transparenz und Beziehungsgestaltung setzt. Die Schulleitung hatte mehrere Exemplare dieses Buchs kommentarlos ins Teamzimmer gelegt, weil sie sich mit dem Gedanken trug, ein entsprechendes Projekt zu starten. So erzählt es Schulleiter Sandro Croci Maspoli. «Die Bücher waren im Nu verschwunden.»
Dass Pauline Kirby aus eigener Initiative eine Idee daraus aufgegriffen hat, begrüsst er. Mittlerweile setzt der Lehrer der Parallelklasse ebenfalls auf die «Coaching Time». Und die Schulleitung hat vor einem Jahr das Projekt gestartet, um die Neue Autoritätin der Schule zu verankern. Damit sollen die «Coaching» respektive «Banking Time» wie auch ein Lerncoaching flächendeckend eingeführt werden.
Einige andere Angebote sind bereits fester Bestandteil der Schule und bewährt. Im Lerncenter beispielsweise können Kinder, begleitet von einer Fachperson, an fachlichen und überfachlichen Kompetenzen und am eigenen Verhaltenarbeiten. Unter Einbezug der Klassenlehrpersonen und der Eltern entstehen entsprechende Ziel-Vereinbarungen. In Zukunft soll zusätzlich eine Sozialpädagogin im Lerncenter gezielt die überfachlichen Kompetenzen der Kinder fördern. Im sogenannten Baghira-Training wiederum lernen Mittelstufenschülerinnen und -schüler mit oppositionellem oder aggressivem Verhalten in kleinen Gruppen, mit Wut und Frustration umzugehen.
Das Konzept «Tragfähige Schulen», sagt Sandro Croci Maspoli, bestätige die Schulleitung in dem, was man bereits umgesetzt habe, und sei eine willkommene Ergänzung dazu. «Ich finde es sehr gut, dass man sich als Schulkreis gemeinsam auf den Weg gemacht hat.» Auch in seiner Schule sei man mit dem ganzen Team«aufbauend unterwegs». So habe man eine eigene Präventions- und Interventionskarte erstellt und ebenso eine Karte der möglichen Eskalationsstufen. Diese soll nun aber durch ein Deeskalationsmodell ersetzt werden.
Denn für den Schulleiter ist klar: Ein Kind von der Schule auszuschliessen, bedeute immer einen Beziehungsbruch, und dies sei fatal. Solche Kinder würden danach oft von einem Ort zum nächsten weitergereicht. Ein Deeskalationsmodell helfe, früh dieF ühler auszustrecken, früh zu handeln und ohne Scheu in Kontakt zu treten mit dem Kind und den Eltern. «Letztlich geht es um die Stärkung der Schule und der Lehrpersonen – und natürlich um das Wohl der Kinder.»
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